Was vordergründig sinnvoll erscheint, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Luftnummer.
Mal ehrlich: wem bislang noch nicht klar war, dass ein "Nein!" auch tatsächlich "nein" bedeutet, dem mag man theoretisch vor Gericht die Hammelbeine lang ziehen können, wie er es denn auch verdient hätte. Wie aber - und da bin ich vollständig bei Edenrose - soll (am Ende ohne Zeugen) eine Verfehlung nachgewiesen werden, die keine sichtbaren Spuren beim Opfer hinterlässt? Ich finde, dass aus solchen Gesetzen recht deutlich der überproportional hohe Anteil an Juristen in den entscheidenden Stellen erkennbar wird. Der Jurist muss zwangsläufig abstrahieren, um eine rechtlich haltbares Konstrukt einer Gesetzgebung zu erstellen. In der Praxis sieht das oftmals anders aus.
Solche Art von Gesetz, so wünschenswert der Grundgedanke auch sein mag, wird viele harmlose Versuche des Anbandelns oder Flirtens dem Wohlwollen der damit beachten Dame ausliefern. Was ja eigentlich immer schon so war. Wo man(n) bis dato jedoch schnöde abblitzte, mag er nun eine Anzeige wegen "sexueller Belästigung" am Hals haben, weil er die schönen Augen der Lady mit einem Kompliment bedachte? Zudem wird sich wohl jeder mindestens eine Situation vorstellen können, in der frau einen solchen Vorwurf missbräuchlich anwendet. Der Zeitgeist brachte schon bisher eine Vorveruteilung des Beklagten mit sich (man denke z. B. an die Causa Kachelmann) - wie soll die Justiz solchen Missbrauch ahnden, ist die Reputation eines zu Unrecht Beschuldigten je wieder herzustellen?
Das Gesetz wird scheitern - es stellt im Grunde den Versuch dar, natürlichste und Jahrtausende alte Abläufe zwischen Männlein und Weiblein in ein von Juristen gesetztes Regal zu pressen. So etwas funktioniert in der Praxis nicht. Und die Schlimmlinge wird man doch kaum erwischen können.
Aus dem prallen Leben: meine Partnerin berichtet, dass sich eine Freundin und Kollegin in einen der Mitarbeiter heillos "verguckt" hat; bisweilen leidet schon die Arbeit darunter. Der Kollege wiederum findet die Dame ganz nett - aber mehr eben nicht. Aus einem jammervollen, abendlichen Damentreffen kam dann bei mir an, wie verzweifelt die Freundin sei, dass der Angehimmelte so gar nicht auf sie eingehe: "Aber ich habe ihm doch so viele Zeichen gegeben!" Nun gut, zu diesem Thema habe ich dann auch nur sagen können, dass "Zeichen" von Frauen für Männer oftmals nur böhmische Dörfer sind. Was nun, wenn die Freundin eines Tages angesichts einer Hormonwallung austickt und eine falsche Beschuldigung in die Welt setzte ("Die Hölle kennt keine Wut wie die einer verschmähten Frau")? Dabei kenne ich auch den Kollegen recht gut, der permanent im Kundendienst unterwegs ist. Vor gut anderthalb Jahren erwähnte er bei einer Betriebsfeier, dass er ums Verrecken kein Haus betreten würde, in dem sich eine Frau allein aufhielte und er lieber Umwege und Umstände in Kauf nähme, ehe sich, da "heute alles möglich ist", eine u. U. missverständliche Situation ergäbe.
Wie in vielen Dingen des Alltags, so findet auch hier eine Polarisierung statt. Letztlich geht es um (allzu) Menschliches. Und das werden wir nie in den Griff bekommen.
Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von »Turm 61« (8. Juli 2016, 14:55)